Zitiert nach Michael Hammer & James Champy,
„Reengineering the Corporation “, 1993
Jedes Unternehmen, mit Ausnahme von Einzelunternehmen, braucht zur Abwicklung seiner Geschäfte wiederholbare Prozesse.
Je mehr Mitarbeiter ein Unternehmen hat, desto wichtiger sind gut einstudierte Abläufe, damit bei jedem neuen Kundenauftrag qualitativ das gleiche Ergebnis erzielt wird.
In keinem Unternehmen gibt es einen einzelnen Mitarbeiter, der alle Prozesse genau kennt. Aber es gibt wohl in jeder Fachabteilung eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter, der die Abläufe in dieser Abteilung sehr gut kennt. Das sind die Know-How-Träger des Unternehmens. Mit diesen führen wir bei einer Prozessanalyse intensive Gespräche. Dabei werden auch deren Vorstellung über mögliche Verbesserungen erörtert und bekannte Schwachstellen angesprochen.
In Workshops mit den Know-How-Trägern verwenden wir Checklisten, um alle ausführbaren Aktivitäten im Rahmen der Prozessanalyse vollständig zu dokumentieren.
So sind alle Prozesse und die damit verbundenen Unternehmensanforderungen dokumentiert.
Eine Perspektive für mögliche Verbesserungen wird dadurch sichtbar und eine objektive Kritik eventueller Schwachstellen ermöglicht.
Am Anfang jeder Prozessanalyse steht die Frage:
Welche und wie viele Prozesse hat ein Unternehmen?
Wie viele Funktionen und Aktivitäten hat ein Unternehmen?
Nur sehr wenige, meist große Unternehmen haben ein „Organisationshandbuch“, das die verschiedenen Aufgabengebiete gegeneinander abgrenzt und als Verantwortungs- oder Organisationseinheiten beschreibt.
Wir haben von Anfang an, seit 1984, die Ergebnisse aller Prozessanalysen sorgfältig dokumentiert und „katalogisiert“. Jede Funktion wurde mit allen ausführbaren Aktivitäten beschrieben und einem abgegrenzten Aufgabengebiet, einer Abteilung zugeordnet. So entstand ein großes Repository, eine Sammlung singulärer Aktivitäten, gruppiert nach Funktionen und Abteilungen, eingeordnet nach Unternehmenstypen und Branchen.
Dieses Repository, ergänzt um die graphischen Darstellungen der Referenzprozesse, wurde der GPS SoftwareAtlas®, erstmals 1993 veröffentlicht. Es war eine der ersten vollständigen Zusammenstellungen der Funktionen eines ERP-Systems. Anhand fiktiver Beispielprozesse wurden die Modelle verifiziert bis in die Buchungen auf den Kunden der Buchhaltung.
Der Begriff „Prozess“ wird seit einigen Jahren sehr inflationär verwendet. Legt man allein das Kriterium der „Messbarkeit“ an die vermeintlichen Prozesse, so bleiben, zumindest als „Unternehmensprozesse“ nur ein paar wenige übrig. Bei der Analyse und später der Modellierung der Geschäftsprozesse verwenden wir die Methode der Petri-Netze, die zwingend zu geschlossenen und damit zu prüf- und messbaren Prozessen führt: In Unternehmen sind das jedenfalls eine überschaubare Anzahl von Prozessen.
Die Übertragung der Prozessanalyse in eine graphische Darstellung, eben ein Petri-Netz, lässt Auffälligkeiten sofort sichtbar werden. Die einfache Syntax der Petri-Netze – es gibt nur „Knoten“ und „Kanten“ – macht es möglich. Lückenhafte Prozesse sind ebenso erkennbar wie überbestimmte Prozesse, bei denen „etwas zu viel des Guten“ getan wird.
In verschiedenen neueren Publikationen ist die Rede von über 300 ERP-Systemen, die allein auf dem deutschsprachigen Markt angeboten werden. Die erste, grobe Differenzierung kann anhand der Klassifizierung für den Unternehmenstyp erfolgen. Jedes ERP-System wurde für einen bestimmten Unternehmenstyp entwickelt. Produzierende Unternehmen brauchen eine ganz andere Konstruktion als Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Am deutlichsten erkennbar ist das an der Funktion Disposition, dem Herzstück jedes ERP-Systems.
Die zweite Einschränkung des ziemlich unübersichtlichen Angebots an ERP-Systemen kann durch die Eignung für die gegebene Unternehmensgröße sein. Nach diesen beiden Auswahlkriterien bleiben noch ca. 50 bis 60 Systeme auf der Liste.
Ein Projekt zur Auswahl des am besten geeigneten ERP-Systems beginnt an diesem Punkt: Wenn man weiß, um welches Unternehmen es sich handelt und wie groß dieses Unternehmen ist, beschränkt sich die weitere Suche auf die rund 50 ERP-Systeme, die nach Unternehmenstyp, Branche und Größe ähnliche Kunden auf der Referenzliste haben. Nach der Prozessanalyse stehen die weiteren Auswahlkriterien fest, die Art und Ausprägung der erforderlichen Funktionen.
Eines der Ergebnisse der Prozessanalyse ist ein „Kurz-Anforderungs-Profil“ (KAP). Mit diesem sehr komprimierten Profil konfrontieren wir ca. 10 bis 15 ERP-System-Anbieter, deren Produkte funktional das Anforderungsprofil des Kunden überdecken.
Die Antwort der ERP-System-Anbieter auf der „Long List“ kann in mehrfacher Hinsicht ausgewertet werden. Inwieweit die Funktionen des ERP-Systems das Anforderungsprofil „matchen“ und natürlich auch, ob der Anbieter Interesse an diesem Projekt hat.
Nach dieser Selektion verbleiben – erfahrungsgemäß – ca. sechs bis acht ERP-Systeme auf der so genannten „Short List“. Die ERP-System-Anbieter auf dieser Liste erhalten nun das gesamte Lastenheft einschließlich einer Preisanfrage und einer Bitte um Selbstdarstellung. Begleitet wird diese Anfrage mit persönlichen Gesprächen bei den Anbietern der Systeme.
Bei diesem Schritt zeigt sich der Vorteil einer guten ERP-Beratung. Der Berater begegnet dem ERP-System-Anbieter auf Augenhöhe, weil er mehrere ERP-Systeme und deren Anbieter kennt. Er fordert von den Anbietern mehr als nur eine Präsentation bunter Folien.
Aus den Ergebnissen der Prozessanalyse, der Dokumentation der Abläufe mit allen Details und den Überlegungen zur Verbesserung der Geschäftsprozesse entsteht ein Testszenario, das die Zukunft vorwegnimmt. So soll es einmal sein, wenn das neue ERP-System installiert ist. Dieses Szenario wird in ein schlüssiges Narrativ eingebettet, also sehr realitätsnahe Geschäftsvorfälle mit Kunden- und Produktdaten.
Eine detaillierte Prozessbeschreibung in verbaler und graphischer Form sowie alle erforderlichen Daten in tabellarischer Form wurden den Anbietern vorgegeben. Zum Eignungstest gehört auch die Prüfung der Flexibilität und der Benutzerschnittstelle.
Im Anschluss an den Eignungstest erhält der Anbieter – in Abhängigkeit des Testergebnisses – ein vollständiges Lastenheft und eine Angebotsaufforderung. Die Angebotspositionen werden in eine Vergleichstabelle übertragen, ggf. hinterfragt und vom Anbieter erläutert. Das Ergebnis der Angebotsprüfung wird zur Entscheidungsfindung aufbereitet und den Entscheidern vorgelegt.
Die Auswahl des am besten geeigneten ERP-Systems ist der erste Teil eines ERP-Projekts. Der zweite Teil ist die Einführung des Systems im Unternehmen. In fast allen Fällen bietet der ERP-System-Hersteller auch die Einführung an. Die Kosten für das Einrichten der Steuerparameter („Customizing“), mögliche Anpassung oder Erweiterung der Funktionen sowie die Schulung der Mitarbeiter übersteigen meistens die reinen Lizenzkosten. Deshalb lohnt es sich, vor Vertragsabschluss diese Positionen genauer zu durchleuchten.
Bei den Vertragsverhandlungen, die in der Regel mit mehr als einem Anbieter geführt werden, wirken wir beratend mit. Wir prüfen jede Position des Dienstleistungsangebots auf Realitätsnähe, Umfang und Dauer. Wichtig bei der Vertragsverhandlung ist der Beginn der lizenzpflichtigen Nutzung für jeden Arbeitsplatz. Denn das System wird ja nicht über Nacht eingeführt, so dass auch nicht alle Lizenzen sofort genutzt werden können.
Zu berücksichtigen ist bei der ERP-System-Einführung der Anteil der Eigenleistung, z.B. für die Bereitstellung und Übernahme der Daten sowie für die Teilnahme an den Schulungen. Hier kommen die so genannten „Key User“ ins Spiel, die als Erste im neuen System geschult werden, um dann ihrerseits ihre Kolleginnen und Kollegen zu schulen.